22. Dezember 2016

Wesołych Świąt vom Karpfen in der Badewanne

Das Weihnachtsfest nähert sich mit großen Schritten. 
Die verbleibenden vorweihnachtlichen Tage möchte ich euch mit einem neuen Eintrag über die Adventszeit in Polen versüßen und euch einen kleinen Einblick in typisch polnische Weihnachtstraditionen geben.

Prinzipiell ähneln polnische und deutsche Weihnacht einander:
Auch in Polen wird das eigentliche Weihnachtsfest, Wigilia genannt, am Heiligen Abend des 24. Dezember gefeiert. 
Nachdem sich Familien während des mehr oder weniger besinnlichen Beisammenseins den Bauch mit weihnachtlichen Köstlichkeiten vollgeschlagen haben, wird die 'Cicha noc, święta noc' ('Stille Nacht, heilige Nacht') besungen, bis irgendwann das Auspacken der unter einem bunt geschmückten Baum arrangierten Geschenke als finaler Höhepunkt des Abends eingeläutet wird. 
Wer um Mitternacht noch nicht eingeschlafen ist absolviert sodann seinen (Pflicht-)Besuch in der Kirche bei der alljährliche Weihnachtsmesse, was aus dem katholisch geprägten Polen genauso wenig wegzudenken ist wie bei vielen katholischen Familien Deutschlands.
Den 1. und 2. Weihnachtsfeiertag verbringt man üblicherweise im Kreise der Verwandten, Freunden und Bekannten.
Genau wie in Deutschland eben.
Natürlich gibt es auch in Polen Menschen, die über Weihnachten in ein anderes Land verreisen, um der Weihnachtshysterie zu entkommen.
Genau wie in Deutschland eben.
Aber bleiben wir bei einem traditionell gefeierten Weihnachtsfest! 

Etwas unterscheidet sich die polnische Weihnacht aber dann doch von einer deutschen, worüber ich euch im folgenden erzählen möchte.
Vor kurzem habe ich nämlich einen guten Artikel über weihnachtliche Traditionen in Polen gelesen, der so einige skurrile, ja schier unglaubliche Informationen enthielt, und mich gefragt, wie viele dieser Traditionen tatsächlich heutzutage noch in Polen praktiziert werden?
Daraufhin habe ich mich ein bisschen umgehört, genauer gesagt bei polnischen Dozierenden an der Uni und polnischen Freunden nachgefragt.
Worüber ich im Folgenden also spreche, wurde mir tatsächlich von polnischen Leuten als noch heutzutage so praktizierte Tradition bestätigt.

Schwimmt bei euch in der Vorweihnachtszeit auch ein Karpfen in der Badewanne? 
In einigen polnischen Familien jedenfalls schon! Was nicht weiter verwunderlich ist, da die lebenden Karpfen sogar in Supermärkten verkauft werden.
Dies hat tatsächlich geschichtliche Hintergründe, da es früher nicht wirklich möglich war tote Karpfen während des Transports ordnungsgemäß zu kühlen, der Transport lebender Karpfen hingegen dieses Problem umging.
Und obwohl dies heutzutage nicht mehr notwendig erscheint, so halten einige polnische Familien doch an dieser Tradition fest.
Am Weihnachtstag kümmert sich die 'mater familias' dann um die Zubereitung des zu Weihnachten in Polen so beliebten Karpfengerichtes.

Der polnische Weihnachtsabend wird eröffnet, wenn der erste Stern am Himmel zu sehen ist - symbolisch für den Stern Betlehems, der den Weg zu Jesu Stall weist.

Statt Würstchen und Kartoffelsalat werden in Polen sodann traditionell 12 verschiedene Gerichte aufgetischt, die symbolisch für die 12 Apostel stehen.
Während hierbei auf Fleisch gänzlich verzichtet wird, gibt es in Polen umso mehr Fisch.
Auch Pierogi dürfen beim polnischen Weihnachtsmahl natürlich nicht fehlen! 
Als Vorspeise wird die ebenso traditionelle wie beliebte Rote-Bete-Suppe mit kleinen Teigtaschen, Barszcz genannt, gereicht.
Vor einigen Tagen organisierte die Universität einen Weihnachtsabend für uns Erasmusstudierende, an dem wir die Gelegenheit bekamen viele dieser (eigens von Köchen zubereiteten) traditionellen Speisen selbst zu probieren. Hierbei gab es drei lange Tafeln mit Barszcz, gekochten und gebackenen Pierogi, Sauerkraut sowie mehreren Heringsgerichten in verschiedenen Variationen. Als Nachspeise warteten bereits diverse Kuchen aus Mohn auf uns und das ebenfalls in Polen sehr populäre 'Kompott', in Zuckerwasser eingelegte Früchte - wer kennt es noch aus Omas Zeiten?
In gemütlicher Atmosphäre zusammen mit vielen anderen ausländischen Kommilitonen kamen die meisten dann auch auf den (Herings-)Geschmack - obwohl manche Speisen tatsächlich recht ungewöhnlich waren.
Definitiv ein tolles Erlebnis!

Aber zurück zu polnischen Weihnachtstraditionen.
Gesättigt vom reichlichen Essen wird pünktlich um 20 Uhr der Fernseher angemacht, denn 'Kevin allein zuhaus' ist in vielen polnischen Familien während der Weihnachtszeit nur schwer wegzudenken.
Als der Fernsehsender Polsat den Film sodann einmal aus dem Fernsehprogramm genommen hatte, haben sich mehrere zehntausend Menschen in Polen mit den Worten "Polsat hat Weihnachten ruiniert" über diesen offensichtlichen Fauxpas beschwert, sodass dieser Film postwendend wieder in das Fernsehprogramm aufgenommen wurde. 
Verständlich, kein vernünftiges polnisches Weihnachten ohne Macaulay Culkin!

Einige von euch kennen sicher auch diese Oblaten, wie sie fürs Plätzchenbacken verwendet oder - vor einem etwas kirchlicheren Hintergrund betrachtet - symbolisch für den Leib Christi stehen und während der Messe verteilt werden. In Polen gibt es diese Oblaten an Weihnachten in quasi übergroßem Format, um diese mit anderen Menschen teilen zu können. Herbei erhält also jeder eine dieser Oblaten und teilt sie mit seinem Gegenüber, indem man gegenseitig ein Stück der Oblate des jeweils anderen abbricht, während man sich gegenseitig nur das Beste zum neuen Jahr wünscht. Dieser Vorgang wird mit mehreren Menschen so lange wiederholt, bis die Oblaten aufgebraucht sind.
Auch ich habe diese polnische Tradition einmal selbst miterleben können.
Nachdem sich eines Abends viele Leute für eine Veranstaltung am Alten Markt versammelt hatten, bei der 'Stille Nacht' in vielen verschiedenen Sprachen gesungen wurde - natürlich habe ich zusammen mit drei anderen Frauen hierbei Deutschland vertreten -, wurden die Oblaten unter allen Anwesenden obligatorisch geteilt.
Eine wunderbare Veranstaltung, bei der ehrliche Weihnachtsfreude aufgekeimt ist!






Die polnische Adventszeit generell ähnelt jedoch wieder sehr der deutschen: 
Weihnachtlich dekorierte (Innen-)Städte, lebensgroße Krippen und Weihnachtsmärkte dürfen natürlich auch in Polen nicht fehlen!
In Posen gab es sogar gleich zwei Weihnachtsmärkte und einer wurde tatsächlich von einer deutschen Firma organisiert - konnte ich es doch kaum glauben, als ich meinen ehemaligen Fußballtrainer unserer Mädchenmannschaft in Neumarkt-Sankt Veit auf dem Weihnachtsmarkt am Posener Freiheitsplatz traf! So erfuhr ich dann, dass dies ein multikultureller Weihnachtsmarkt sei, mit unter anderem bulgarischen, italienischen und spanischen Ausstellern - organisiert von Deutschen.

Als Flo und ich uns Anfang Dezember eineinhalb Wochen von der Uni (sozusagen) freigenommen hatten, um etwas im weihnachtlichen Polen zu reisen, eine meiner polnischen Dozentinnen war ganz begeistert davon: "Hervorragend, polnische Landeskunde auf eigene Faust!", besuchten wir auch einige Weihnachtsmärkte in anderen Städten Polens. Teilweise sehr große und mit den zumeist typisch kitschigen Dingen, teilweise aber auch ganz kleine mit allerlei selbstgemachtem Handwerk.
Außerdem sind wir ins Konzentrationslager Auschwitz gefahren und haben uns im Anschluss daran vorwiegend auf den (süd-)östlichen Teil Polens konzentriert, wo wir uns die Städte Lublin, Kazimierz Dolny und Zamość näher angeschaut haben.
Schließlich hat es dann auch uns endlich in Polens Hauptstadt Warschau verschlagen, wo wir nicht zuletzt unserem guten Freund Fabian aus Bamberg einen Besuch abgestattet haben, der zufälligerweise auch Erasmusstudent in Polen ist. 
Ich habe mich wirklich so sehr gefreut Fabi endlich einmal wiederzusehen - es war toll!

Über diese zweite kleine Polenreise möchte ich euch aber in meinem nächsten Eintrag erzählen.
Dieser Eintrag hier soll ganz einfach der polnischen Weihnachtszeit gewidmet sein!
So zeige ich euch im folgenden also einige Bilder aus dem weihnachtlichen Polen, viel Spaß damit ihr Lieben, während ihr genauere Details zu unserer Reise sowie viele viele weitere Bilder dann demnächst erhaltet!


Breslaus Wahrzeichen

Breslau Weihnachtsmarkt


Krakau Weihnachtsmarkt

Warschau Weihnachtsmarkt







Lublin



Kazimierz Dolny

Zamość



Danzig - Ausblick vom Kirchturm


Weihnachtsmarkt Danzig


Thorn


Weihnachtsmarkt Thorn

Posener Weihnachtsmarkt in der Altstadt


unser festlich geschmücktes Doppelzimmer

Ivana, Kathrin, Klaudia und ich bei unserer
Mädels-WG-Weihnachtsfeier

Meine Mitbewohnerin Klaudia


Mit diesen weihnachtlichen Bildern aus Polen verabschiede ich mich nun von euch und wünsche euch allen - Wesołych Świąt - Fröhliche Weihnachten - und ein wunderbares neues Jahr 2017.
Für das kommende Jahr wünsche ich mir für uns alle ein friedlicheres Zusammenleben mit weniger Kriegen, mehr Gerechtigkeit in unserer Welt, Zusammenhalt in einer vom Terrorismus geprägten Zeit, trotz all den vergangenen schrecklichen Ereignissen oder gerade deshalb mehr Offenheit anderen Menschen und Kulturen gegenüber und ganz wichtig einen differenzierten Blick hierbei - denn es gibt trotz alldem viele Menschen mit guten, ehrlichen Absichten egal welcher Religion und Herkunft.

Auf mich warten im Jahre 2017 noch fast zwei Monate Auslandsstudium und ein hoffentlich weiterhin genauso schönes, aufregendes Leben in Posen und im März dann schließlich die Rückkehr ins geliebte Bamberg - zusammen mit dem wichtigsten Menschen in meinem Leben.
Auf das Jahr 2016 schaue ich persönlich mit Freude zurück, da es ein wunderbares Jahr für mich mit vielen aufregenden Erlebnissen und neuen Erfahrungen war, die mir einmal mehr gezeigt haben, wer ich bin und was ich in meinem Leben möchte!


Eure Perzlperle


11. Dezember 2016

Geschichten aus Poznań


Advent, Advent, das dritte Lichtlein brennt.
Und passend zum gemütlichen 3. Adventssonntag gibt es wieder einen langen Eintrag für euch!

Seit knapp zweieinhalb Monaten lebe ich nun in 'The Jowita Hall of Residence' in der ulica Zwierzyniecka 7 in Posen.
Klingt vornehm? Ist es nicht, aber dazu gleich mehr.
Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Tag in Posen: Am frühen Nachmittag des 2. Oktober am Posener Hauptbahnhof angekommen machte ich mich auf eigene Faust auf den Weg zum Jowita Studentenwohnheim, während die anderen Erasmusstudierenden zumeist in der Begleitung ihrer Mentoren waren. Natürlich wurde mir auch eine polnische Mentorin zugewiesen, Malina. Da sie mir in den folgenden beiden Wochen allerdings noch genug helfen sollte, was die grundlegenden organisatorischen Dinge an der Universität betraf, wollte ich meinen ersten Tag in Posen selbst bewältigen und in Ruhe in meinem neuen Zuhause 'ankommen'. Nachdem ich zum Glück nur 3 Stunden ungeduldig warten musste, bis mir endlich ein Zimmer zugewiesen und der Schlüssel ausgehändigt wurde, war klar: Kommendes halbes Jahr würde ich in einem Doppelzimmer mit einer anderen deutschen Erasmusstudentin leben, 6. Stock, Zimmernummer 612. Uff! Ein Anflug von Niedergeschlagenheit, denn bis zum letzten Augenblick hatte ich fieberhaft darauf gehofft vielleicht doch in einem Einzelzimmer zu landen, vergebens. 
"I am sorry but at the moment we only have double rooms left."
Nach dieser weniger erfreulichen Nachricht wollte ich nun mein zukünftiges 'Reich' genauer unter die Lupe nehmen, über das ich mir schon seit geraumer Zeit den Kopf zerbrochen hatte, und der Rätselei nun endlich ein Ende bereiten. Sogleich musste ich feststellen, dass staatliche Wohnheime in Posen einem einfachen Konzept folgen: Gerade groß genug und ausgestattet mit den unbedingt notwendigen Dingen.
Im Augenblick lebe ich also in einem ca. 10m² großen Doppelzimmer mit einem eingebauten alten Holzkleiderschrank in der kleinen Eingangsdiele sowie Bett, Schreibtisch und einigen Regalen als Ablagefläche im Zimmer selbst. Die Räume allgemein sowie Türen und Möbel sind altbacken, quietschen und knarren - das soll mich aber nicht stören, hat doch irgendwie Charme! Jedes Zimmer besitzt ebenfalls einen eigenen kleinen Kühlschrank, mit ein bisschen Glück  (das mir nicht hold war) sogar mit Gefrierfach, und das kleine Bad teilt man sich normalerweise mit dem Zimmer nebenan - in meinem Fall mit Ivana und Kathrin, die ebenfalls in einem Doppelzimmer leben. Ein Bad, zwei Türen, zweimal zusperren: Ab jetzt also bloß nicht vergessen die Badezimmertür des Doppelzimmers nebenan wieder aufzusperren, nachdem man selbst das Bad verlassen hat! Vergebens - uns allen sollte es mehr als einmal passieren die jeweils anderen aus dem eigenen Bad auszusperren. Mit der Zeit würden wir uns schon noch daran gewöhnen! Einmal die Woche (gefühlt) kommt außerdem der Hausmeister vorbei, um Kleinigkeiten zu reparieren - verständlich, denn Jowita ist ein altes Gebäude und der pflichtbewusste Hausmeister sodann ein stets gern gesehener Gast! Gekocht wird in Gemeinschaftsküchen, von denen sich jeweils eine in jedem Stockwerk befindet. Zum Glück wird die Küche nicht von allen regelmäßig genutzt, denn auf jedem Stockwerk leben geschätzte 60 Menschen und 8 funktionierende Herdplatten sowie 1 Spülbecken erscheinen einem da anfangs schon recht spärlich. Einen Backofen und andere Spielereien gibt es in Jowitas Küchen nicht, zumindest nicht auf meinem Stockwerk - ade Plätzchen und Kuchen in der Weihnachtszeit! Zum Wäschewaschen stehen einem außerdem gleich 4 Waschmaschinen zur Verfügung, für die man einen Termin im Voraus an der Wohnheimsrezeption buchen muss, da diese logischerweise ständig belegt sind. Das große Fenster  in unserem Zimmer bietet dafür allerdings einen wirklich herrlichen Blick auf die alten Universitätsgebäude!


Ausblick aus unserem Doppelzimmer in Jowita

Was soll ich sagen? Natürlich waren diese Umstände anfangs ungewohnt, in den ersten Tagen sogar deprimierend um ehrlich zu sein - aber ich halte mir immer wieder vor Augen, dass ich hier nicht dauerhaft lebe und kann mich nun nach einiger Zeit doch ganz gut mit alldem anfreunden. Ein minimalistischer Lebensstil hat auch irgendwie seine Vorteile.
Außerdem freute ich mich letztlich darüber, endlich Gewissheit zu haben über meine Wohnsituation und meine Mitbewohnerin würde ich hoffentlich auch bald kennenlernen. So dachte ich jedenfalls. Nachdem zwei Wochen nach Beginn des Semesters noch immer keine Spur von der Deutschen war, war mir ziemlich klar, dass sie etwas besseres gefunden haben musste. Und ich? Nunja, ich hatte mich ehrlich gesagt auch schon daran gewöhnt alleine in einem Doppelzimmer zu leben, ließ sich doch wirklich gut aushalten und günstig war es noch dazu! Denn für so ein Bett in einem Doppelzimmer bezahlt man in Polen nicht viel, weshalb es für polnische Studierende auch Gang und Gäbe ist in Doppelzimmern zu wohnen, auch in WGs. Teilweise fühlte ich mich jedoch auch einsam, so ganz alleine im Doppelzimmer, das somit auch zur Hälfte leer war und auf Dauer eine doch etwas triste Atmosphäre versprühte. Und obwohl ich in den ersten beiden Wochen - in ständiger Erwartung meiner baldigen Mitbewohnerin - oft darüber nachdachte, konnte ich mich nicht entscheiden, welche Option mir nun lieber wäre: Alleine im Doppelzimmer mit maximaler Privatsphäre oder ein gemütliches Miteinander mit einer sympathischen Mitbwohnerin. Letzteres natürlich im besten Fall. Über eine Horrormitbewohnerin wollte ich erst garnicht nachdenken! 
Als dann eines Abends Bücher auf dem Schreibtisch lagen und sich tatsächlich eine Mitbewohnerin ankündigte, war ich verständlich nervös und ein emotionales Wrack. Um das Rätsel nun aufzulösen, das für einige von euch kein Rätsel mehr ist: Seither wohne ich mit einer polnischen Studentin namens Klaudia zusammen und es könnte nicht besser funktionieren zwischen uns - ähnliche Wellenlänge auf allen Ebenen. Ich war so erleichtert, als ich sie endlich kennengelernt und sich das Geheimnis um die verschollene Mitbewohnerin nun tatsächlich in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Check! Und seither fühle ich mich sehr wohl in meinem Doppelzimmer in Jowita, denn Klaudia ist immer für ein Gespräch oder einen gemeinsamen Abend zu haben, gleichzeitig pflegen wir aber ein rücksichtsvolles Miteinander und geben uns Freiräume. Meiner Meinung nach wichtig in einer solch prekären Wohnsituation. Und vor dem Zubettgehen heisst es dann meistens: "Dobranoc Krysia!", "Gute Nacht, Klaudia!" 
Krysia ist die Kurzform für Christina auf polnisch, schon gewusst?
Noch ein kleiner Funfact zu unserer 4er Mädels WG: Ivana, Kathrin, Klaudia und ich sind alle aus verschiedenen Ländern, sprechen jedoch die gleiche Sprache - und das tatsächlich im wortwörtlichen Sinn: Da alle drei Mädels Germanistik bzw. DaF studieren, unterhalten wir uns in fließendem Deutsch miteinander! Genial oder?
So weit, so gut.

Aber nun zum Ernst des Lebens, denn in einem Auslandssemester geht es schließlich auch ums studieren, irgendwie.
Nach der Einführungsveranstaltung am 3. Oktober, bei der die Erasmusstudierenden von allen hohen Tieren der Universität persönlich willkommen geheißen wurden - ja sogar ein kleines Buffet mit Häppchen stand bereit, galt die Aufmerksamkeit der Erasmusstudierenden in der ersten Woche eher den von der ESN (Erasmus Social Network) veranstalteten Events als den Kursen an der Uni. Party, Kneipentour, Party, Tramparty und nochmals Party - ich glaube ich bin zu alt für den Scheiß! Die ein oder andere interessante Veranstaltung habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen - erste Kontakte knüpfen ist in einem fremden Land ja nicht die schlechteste Idee. Allgemein finde ich unsere ESN auch wirklich gut, immer bemüht den Erasmusstudierenden abwechslungsreiche Events zu bieten, und nein, nicht nur Party. Zum Glück muss ich sagen - das Erasmusklischee ('Erasmus macht man nur, um zu feiern und zu saufen') war von Anfang an ein leidiges Thema für mich! Ich persönlich mache dennoch öfter mein eigenes Ding mit den Leuten, die ich mittlerweile kennengelernt habe, anstatt bei jedem ESN Event mitzumachen - aber das ist natürlich jedem selbst überlassen.
Was die Kurse an meiner Universität betrifft, stellte sich heraus, dass die Adam Mickiewicz Universität ein wirklich vielversprechendes Kursangebot für uns Erasmusstudierende anbietet. So besteht mein Stundenplan natürlich aus einigen pädagogischen Kursen, welche eine ganz gute Ergänzung zu meinen Kursen an der Uni Bamberg darstellen, zumeist jedoch aus Kursen anderer Fachrichtungen - einfach weil ich die Kurse interessant fand. Neben einem polnischen Theaterkurs "Acting craft in polish theatre" belege ich zwei Kurse zur polnischen Kultur (einen sogar in deutscher Sprache), den Kurs "Animal studies", der sich mit Tierethik beschäftigt, und nicht zuletzt "Underwater Tourism", wo es ums Tauchen geht. Perfekt für einen frisch gebackenen CMAS* - Tauchneuling wie mich!
Da ich für das Erasmusprogramm am Ende des Semesters nur 20 ECTS Punkte nachweisen muss, habe ich zwei dieser Kurse zusätzlich ohne Prüfung belegt, einfach aus Interesse.


Uniwersytet im. Adama Mickiewicza, Faculty of Education
Uniwersytet im. Adama Mickiewicza, Collegium Maius, ulica Fredry

Ausgesprochen wird Adam Mickiewicz übrigens 'Adam Mitzkiäwitsch'. 
Polnisch ist auch so ein Thema für sich! Seitdem ich mich letztlich dazu entschieden habe keinen Sprachkurs zu belegen, da dieser leider nicht mit meinen Pädagogikpflichtveranstaltungen vereinbar war, lerne ich eigenständig mit Hilfe des Übersetzers und mit etwas Hilfe von Klaudia und ihrem Freund Michał für mich im Alltag sehr relevante, hilfreiche Wörter und Sätze einfach auswendig. Und da kam schon so einiges zusammen sage ich euch, denn polnische Leute sprechen generell relativ schlecht englisch wie ich immer wieder aufs Neue nicht ganz so erfreut feststellen darf. Schon die einfachsten Dinge bereiten zeitweise große Schwierigkeiten in der gegenseitigen Verständigung.
Einmal mehr merke ich, wie wichtig eine funktionierende Kommunikation für ein angenehmes Miteinander ist - jedoch auch, wie schwer es wirklich ist eine Sprache zu lernen, die dem eigenen Sprachstamm so überhaupt nicht ähnelt. 
Nicht so jedoch an der Uni, denn die Dozierenden - zumindest in meinen Kursen - sprechen meist einwandfreies Englisch. Ich gehe also in Polen wirklich gerne zur Uni, auch dank des tollen Kursangebotes und der sehr praktisch und interessant gestalteten Kurse - perfekt für mich! 
Wer hätte das gedacht?
Nur die allgemein geltende Anwesenheitspflicht in Polen ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, wo das Studium in Bamberg in dieser Hinsicht doch schon selbstbestimmter und weniger verschult ist. 
Aber dieses Thema spaltet ja bekanntlich die Geister unter den Studierenden...

Und wie lässt es sich in Posen allgemein so leben? Ganz gut muss ich sagen! 
Ich habe Posen im Laufe der Zeit lieben gelernt. Nachdem ich schon einige andere wunderschöne, interessante Städte in Polen gesehen hatte, war mir sofort klar, dass Posen dies nicht würde noch überbieten können. Aber Posen besticht dennoch durch seine Lebensqualität: Schöne Ecken in der Altstadt, zahlreiche individuelle Cafés mit leckeren selbstgebackenen Kuchen und guten Tees, interessante Museen (die samstags kostenlos sind), coole Bars mit guter Craftbier-Auswahl, jede Menge  toller, teilweise alternativer Events - auch für das etwas kleinere Budget von Studierenden, eine Therme mit Saunaland, zwei ruhig gelegene Seen in unmittelbarer Nähe sowie das ein oder andere grüne Fleckchen Erde, um sich aus dem Großstadttrubel einen Nachmittag lang zurückziehen zu können - um nur einige der Posener Vorzüge zu nennen.
Ob das Großstadtleben auch in Zukunft etwas für mich ist, werde ich allerdings noch herausfinden müssen. Manchmal nerven volle Straßenbahnen und vergleichsweise 'weite' Distanzen mich nämlich schon ein bisschen - wobei ich mich in dieser Hinsicht verglichen mit anderen Studierenden wirklich glücklich schätzen kann, da sich mein Wohnheim sehr zentral befindet. Nicht nur meine beiden Universitätsstandorte sondern auch die Innenstadt befinden sich in fußläufiger Distanz, was mir wiederum die tägliche Fahrt mit der Tram erspart! Mit einem Überangebot an Veranstaltungen kämpft man in einer Großstadt außerdem auch von Zeit zu Zeit - aber lieber so als keine Veranstaltungen!
Auch das ist wiederum eine dieser Erfahrungen, die ich unbedingt machen wollte: Wenigstens einmal in einer Großstadt zu leben.



Auch Simi, eine gute Freundin aus Deutschland und mein erster Besuch in Polen, scheint Gefallen an Posen gefunden zu haben - wir verbrachten einige schöne Tage zusammen mit Spaziergängen im Sonnenschein, selbstgemachtem Glühwein, guten Gesprächen und natürlich dem ein oder anderen Wodkashot!


Erster Freundinnenbesuch aus Deutschland.
Es war so schön, dass du da warst Simi <3


Bevor ich nun langsam zum Ende komme, möchte ich euch noch kurz von zwei wichtigen Feiertagen erzählen, die ich in Polen bereis miterleben durfte.
Zum einen Allerheiligen am 1. November. 
Allerheiligen kennen wir ja aus Deutschland und dennoch wird diesem Tag in Polen eine noch viel größere Bedeutung beigemessen, wie Flo und ich festgestellt haben. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich gerade in Danzig, weshalb wir in der Dämmerung den zweitgrößten Friedhof Danzigs aufsuchten, der sich inmitten von kleinen Hügeln befand. Der Anblick, der sich uns nicht nur vom Hügel aus bot sondern auch im Friedhof selbst, war einfach nur atemberaubend und irgendwie surreal zugleich. Ein Meer aus Grablichtern in allen Farben und Formen zierte die Gräber und Denkmäler des Friedhofs. Ein sicherlich denkwürdiges Erlebnis und doch stimmte mich der in diesen  Tagen wirklich exzessive Grablichter-Konsumwahn  in den Supermärkten nachdenklich...




Am 11. November folgte dann der wohl wichtigste polnische Feiertag, der Staatsunabhängigkeitstag Polens - nachdem dieses Land am 11.11. im Jahre 1918 nach 123 Jahren seinen Status als eigenständiges, unabhängiges Land wiedererlangte. Im ganzen Land wird dieser Tag gefeiert - mit hunderten polnischen Fahnen, Demonstrationen oder wie in Posen mit einem großen festlichen Straßenumzug, Verkaufsständen, Livemusik, einem Feuerwerk und Unmengen der in Posen so berühmten 'Rogale świętomarcińskie', polnisch für St. Martinshörnchen. Gleichzeitig wird nämlich in Posen am 11. November der Sankt Martinstag gefeiert.
Diese Hörnchen sind zwar nicht billig aber schmecken dafür köstlich - üppig gefüllt mit weißem Mohn, Marzipan, Nüssen und Rosinen. Ich möchte lieber garnicht davon anfangen, wie viele Hörnchen ich in dieser Woche gegessen habe, auch dank meiner lieben Mitbewohnerin und einer Dozentin, die uns diese Köstlichkeit natürlich nicht vorenthalten wollte! Da Flo an diesem Wochenende extra nach Posen gekommen ist, konnte auch er eines der so begehrten Hörnchen ergattern, die tatsächlich nur in Posen und näherer Umgebung von eigens hierfür zertifizierten Bäckereien hergestellt werden dürfen. Über 300 Tonnen Martinshörnchen werden in den Tagen um den 11. November für den Verkauf hergestellt und es gibt sie wirklich überall!



Genau wie in Deutschland ist im Augenblick auch hier in Posen die Vorweihnachtszeit im Mittelpunkt des Geschehens und es verschlägt mich immer wieder für einen Glühwein in die Innenstadt - gestern sogar zufällig auf einen kleinen Weihnachtsmarkt in einem ehemaligen Schlachthof mit allerlei handgemachten Schätzen und natürlich Glühwein und anderen selbstgemachten Leckerein.
So mag ich mein Posen!




Nun ist aber auch Schluss.
Was es mit den Posener Bambergern auf sich hat, was ich in Posen sonst noch so erlebe und was Flo und ich auf unserer ersten gemeinsamen Reise durch Polen unternommen haben, erzähle ich euch dann in meinen nächsten Einträgen - bleibt also gespannt!
In diesem Sinne einen schönen 3. Advent euch allen und eine besinnliche Vorweihnachtszeit :)

Eure Perzlperle